Die Kinder- und Jugendärztin Nezahat Baradari, Kind türkischer Gastarbeiter und SPD-Mitglied seit 1984 ist eine Veteranin der Lokalpolitik. Seit 2019 vertritt sie den Kreis Olpe/Märkischer Kreis im Bundestag. Ein Gespräch über die Zeit nach der Wahl und kommende Herausforderungen für das Land und die Region.

Frau Baradari, Sie vertreten seit 2019 den Kreis Olpe und den südlichen Märkischen Kreis im Bundestag. Wie fühlen Sie sich nach der Bundestagswahl?

Nezahat Baradari: Sehr gut. Als Gewinnerin hat die SPD den Regierungsauftrag erhalten. Olaf Scholz konnte den Bürgern glaubhaft vermitteln, dass er der geeignete Kandidat ist, dieses Land zu führen. Jetzt gilt es vor allem, nach vorne zu schauen und die Herausforderungen in unserem Land anzugehen.

Vor welchen Herausforderungen steht das Land?

Nezahat Baradari: Corona hat sich auf nahezu alle Lebensbereiche ausgewirkt. Aktuell steht das Land durch die neuen Virusvarianten vor großen Herausforderungen. Die Pandemie hat weltweit wirtschaftliche Schäden angerichtet, in Europa, Deutschland und natürlich auch in meinem Landkreis. Wichtiger noch, die aktuelle Krise hat uns die Bedeutung eines starken Sozialstaats vor Augen geführt. Entsprechend setze ich mich für Reformen im Gesundheitssystem, gleiche Bildungschancen und eine inklusive Infrastruktur ein. Konkret bedeutet das unter anderem stabile Renten und ein faires Gehalt für Pflegekräfte. Besonders die Unterstützung von Menschen in Notlagen ist mir ein Anliegen.

Welche konkreten Notlagen sehen Sie?

Nezahat Baradari: Als Kinder- und Jugendärztin habe ich einen guten Einblick in die Situation der Schwächsten in unserer Gesellschaft. Aber auch im Rahmen meiner politischen Tätigkeit bekomme ich mit, wie die aktuelle Lage aussieht. Neben den Bürgersprechstunden im Wahlkreis, stehe ich seit Langem im Dialog mit sozialen Einrichtungen der Region. Und da hat Corona wirtschaftlich, vor allem aber auch im Sozialen Schäden angerichtet. Neben der pandemischen Lage muss auch die Situation in Afghanistan sowie die Aufbauhilfe für Hochwasserschäden angegangen werden. Die Herausforderungen sind also groß, aber ich bleibe optimistisch: Ein gutes Leben ist für alle in diesem Land möglich. Packen wir es an!

Welche Maßnahmen würden zu mehr sozialer Gerechtigkeit führen?

Nezahat Baradari: Vielleicht ein Beispiel: Viel wird im Moment darüber diskutiert, Pflege- und Erzieherberufe attraktiver zu gestalten. Das funktioniert einerseits durch Informationsarbeit. Aber um die Berufe wirklich ansprechender zu machen, reichen PR-Kampagnen nicht, da ist neben der Verbesserung der Rahmenbedingungen sowie familienfreundlicherer Dienste auch eine gerechtere Bezahlung dringend notwendig. Dafür setze ich mich ein.

Sie sind bekanntlich in ihrem Wahlkreis schon seit Längerem auch ehrenamtlich aktiv. Auf welche Leistungen sind Sie besonders stolz?

Nezahat Baradari: Als ich für unser Café International mit der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt für den Kreis Olpe den Wilhelm-Dröscher-Preis erhalten hatte. Dabei handelt es sich um eine AG, die Informationen zu Kultur und Zusammenleben vermittelt und dabei Zugewanderte und Alteingesessene gemeinsam anspricht. Gefreut hat mich auch, als ich zusammen mit der evangelischen Bücherei Attendorn für die Kategorie Erfinden den Ehrenamtspreis des Landes NRW bekommen habe. Dabei ging es uns nicht nur um Medienausleihe, sondern es entstand auch ein enger Kontakt zwischen Bücherei, Kindertagesstätten, Schulen und Schülerinnen und Schülern mit und ohne Migrationsbiographie. Die Vorlesestunden fanden dabei nicht nur auf Deutsch, sondern auch in türkischer, russischer und englischer Sprache statt. Ein Zusammenleben und Zusammenarbeiten von unterschiedlichsten Menschen, bei dem Geschlecht, Herkunft oder Religion keine Rolle spielt – das ist ein Ziel.

Frau Baradari, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.