Im Verfahren um die Klage einer polnischen Spedition gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Rückerstattung von Mautgebühren hat die klagenden Partei teilweise Recht bekommen. Auf der Basis des EuGH-Urteils vom Oktober 2020 verstieß die Maut teilweise gegen EU-Recht. Das Verfahren ist als Musterklage für zahlreiche ähnliche Prozesse eingestuft.

Die polnische Spedition forderte die Rückerstattung bezahlter Mautgebühren aus der Zeit zwischen Januar 2010 und Juli 2011 wegen fehlerhafter Berechnung. Der Gesamtbetrag belief sich auf etwa 12.000 Euro. Die Spedition monierte, dass die Kapitalkosten der Autobahn-Grundstücke falsch kalkuliert worden seien.

Dazu hatte der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 28. Oktober 2020 entschieden, dass gemäß EU-Wegekostenrichtlinie anfallende Kosten für die Verkehrspolizei nicht in die Berechnung der Lkw-Maut einfließen dürfen. Aus diesem Grund hatte die Bundesrepublik mittlerweile eine Rückerstattung in Höhe von 424 Euro geleistet.

Infrastrukturkosten dürfen nicht überschritten werden

In seinem Urteil kam das Oberlandesgericht zu dem Schluss, dass die Bundesrepublik weitere 565 Euro an die Spedition zurückerstatten müsse. Auch die mittlerweile aufgelaufenen Zinsen seien zu erstatten.

Als Grund gab das Gericht an, dass laut EU-Recht Mautgebühren die Infrastrukturkosten nicht überschreiten dürften. Aus diesem Grund sei es unzulässig, bei der Berechnung der Mautgebühren die Kapitalkosten auf der Basis des Wiederbeschaffungswerts zu kalkulieren, statt richtigerweise auf der Basis des Anschaffungswerts.

Für diesen Kalkulationsansatz führte das Gericht die Besonderheiten von Grundstücken als Anlagegüter an, denn Grundstücke nehmen unter den Anlagegütern eine Sonderstellung ein: Sie erleiden keinen Substanzverlust und müssen nicht nach Ablauf einer gewissen Zeit wieder neu beschafft werden.

Aus diesem Grund beruhen die bisher erhobenen Mautgebühren auf einer falschen Kalkulation. Sie bewirkt, dass die Gebührenhöhe die Infrastrukturkosten übersteigt, was sie in direkten Widerspruch mit geltendem EU-Recht bringt.

Fristwahrung ist bei Rückforderungen von besonderer Bedeutung

Es ist davon auszugehen, dass eine sehr große Zahl an falsch berechneten Mautzahlungen erfolgt ist. Transportunternehmen haben also Anspruch auf Rückerstattung von zu Unrecht erhobener Mautgebühren oder auf falsch angesetzte Teilbeträge.

Wesentlich für die Rückforderung: Auch für fehlerhaft erhobene Mautgebühren gilt die gesetzliche Verjährungsfrist. Die Forderung auf Erstattung muss also bis zum Ablauf des dritten Kalenderjahres nach der Entstehung des Anspruchs erfolgen.

Der Anspruch entsteht im Augenblick der Abbuchung. Diese erfolgt in der Regel automatisch durch Toll Collect. Das bedeutet: Zahlungen, die vor 2018 geleistet wurden, können wegen Verjährung nicht mehr angefochten werden.

Entsprechend bedeutsam ist die Verjährungsfrist im umgekehrten Fall: Besteht ein Anspruch auf Rückerstattung aus dem Jahr 2018, muss der Anspruch noch vor Ende 2021 angemeldet werden, um der Verjährung zu entgehen.

Grenzfälle können bei Fahrten zu Ende 2017 entstehen. Erfolgte die zugehörige Abbuchung der Mautgebühren erst Anfang 2018, befindet sich diese Forderung noch innerhalb der Verjährungsfrist, zumindest dann, wenn der Anspruch noch vor Ende 2021 angemeldet wird.

Höhe der Rückerstattung von zahlreichen Faktoren abhängig

Da das EuGH-Urteil – und in der Folge das Urteil des OLG Nordrhein-Westfalen – die Berechnung der Mautgebühren nur teilweise als rechtswidrig eingestuft hat, gibt es bei der Höhe der Rückerstattung keine festen Richtlinien.

Faktoren für die Berechnung der Rückerstattung sind unter anderem die Art der Bundesstraße, beziehungsweise der Autobahn, die Kilometerzahl und der LKW-Typ. Derzeit ist von einer Mindesterstattung von 3,8 Prozent des Mautbetrags auszugehen.

Trotz der niedrigen Quote lohnt sich die Forderung auf Rückerstattung in jedem Fall, insbesondere angesichts der oft hohen Zahl an Mautzahlungen, die zu einer erheblichen Gesamterstattung führen können.

 

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