Régis Werlé ist seit 2008 Geschäftsführer der Düsseldorfer Alchimie GmbH, einem großen Medienunternehmen, welches primär für seinen Subscription-Video-on-Demand-Streamingdienst Watch it! TV und weitere SVoD-Angebote bekannt ist. Werlé ist nicht nur ein erfahrener Manager und Digital Pioneer, sondern seit vielen Jahren auch Spezialist für Streamingangebote und Video-Content.

Mit diesem Gastbeitrag kommentiert er die Bedeutung der diversen Streamingangebote der vergangenen Jahre, kommentiert die Entwicklung von Kosten und Umsätzen der Branche, vor allem in Bezug auf Videostreaming, und geht dabei auch auf Wachstums- und Investitionschancen in den kommenden Jahren ein.

Herausforderungen und Chancen des Streaming-Sektors – Ein Beitrag des CEO der Alchimie GmbH, Régis Werlé

Ohne jeglichen Zweifel hat das Streaming, ob nun in Form von Musik, Podcasts oder vor allem von Videoinhalten, das Seh- und Hörverhalten sowie die Vorlieben der Menschen, in Deutschland, Europa und weltweit stark beeinflusst. Seit mehr als zehn Jahren schauen sich immer mehr Menschen auf immer mehr unterschiedlichen Endgeräten an nahezu allen erdenklichen Orten Videoclips, Serienepisoden oder komplette Filme an; sie hören aktuelle und alte Songs ihrer Lieblingsbands oder entdecken regelmäßig neue interessante Künstlerinnen und Künstler oder sie lernen in immer mehr Podcasts quasi alles über reale Verbrechen oder vergangene Computersysteme aus den Achtzigern. Ob zur Informationsgewinnung, als gemeinsames soziales Event mit Freunden und Familie am „digitalen Lagerfeuer“ oder allein zur bloßen Unterhaltung – Musik- und Videostreaming sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken und gekommen, um zu bleiben.

Doch der immer größere Erfolg und die immer weitreichendere Verbreitung von Musik- oder SVoD-Streaminganbietern, gerade in den letzten zehn Jahren und vor allem während der Hochzeit der weltweiten Corona-Pandemie in 2020 und 2021, stößt weltweit immer häufiger auf neue Herausforderungen, manchmal vielleicht sogar an temporäre Limits.

Die streamingbegeisterte Kundschaft muss sich mittlerweile regelmäßig mit unübersichtlichen, oftmals wechselnden Angeboten im Portfolio der Marktführer herumschlagen. Durch das expandierende Angebot und immer mehr Anbieter, welche das Angebot an Filmen und Serien immer fragmentierter unter sich aufteilen, werden Streamingfans nicht nur wählerischer, sondern vielleicht auch vorsichtiger und zögerlicher.

So ist es nicht verwunderlich, dass die „Goldgräberstimmung“ auf dem Subscription-Video-on-Demand-Markt nach mehreren Jahren immer größerer Umsätze und Abozahlen momentan ihr Ende findet und die Umsätze der Branche zwar weiterhin steigen, allerdings nicht mehr so deutlich wie in den vergangenen Jahren. Diverse Prognosen für die kommenden Jahre in Deutschland oder auf dem internationalen Markt zeichnen hier ein ganz ähnliches Bild.

Höhere Preise bei immer fragmentierterem Angebot: Streaming braucht Wandel

Fakt ist: Die Marktführer der internationalen Streamingbranche, ob nun in Rot oder in Grün, wachsen bei weitem nicht mehr so schnell und deutlich wie einst. Stattdessen schreiben sie trotz weiterhin hoher Umsätze immer häufiger rote Quartals- und Jahreszahlen. Verantwortlich sind dafür nicht nur eine mögliche Übersättigung und zu große Fragmentierung des Marktes, sondern vor allem auch horrende Investitionen für Lizenzrechte.

Aufgrund größtenteils noch hoher Umsätze und wachsender Nutzerzahlen, aber eben auch nur marginaler Gewinne oder zahlreicher Verluste werden auch zahlreiche Anleger der börsennotierten Konzerne immer nervöser. Ein jahrelanges Aufrechterhalten des Status quo, ohne dabei mittel- oder zumindest langfristig auch signifikante Gewinne abzuwerfen, scheint hier verständlicherweise alles andere als weiterhin geduldet zu werden.

Immer mehr Abonnenten spüren zudem die Konsequenzen der enormen Inflation in zahlreichen Ländern der Welt, so natürlich auch in Deutschland. Das Geld sitzt, gerade für Hobbys und nicht unbedingt lebensnotwendige Freizeitvergnügen wie Musik- und Videostreaming, hier bei weitem nicht mehr so locker wie noch vor einigen Jahren, vor allem vor Corona und dem Angriffskrieg auf die Ukraine. Die ohnehin schon stark angestiegenen Lebenserhaltungskosten werden im Alltag durch Streaminganbieter, welche größtenteils ihre Monatsgebühren in den vergangenen Monaten und Jahren teils stark erhöht haben, alles andere als abgefedert.

Durch die oftmals komplizierte Rechtlage auf internationalem Level und immer höhere Lizenzgebühren für Songs, Serien oder Filme wälzen zahlreiche Anbieter, gerade die Marktführer im SVoD-Sektor, die wachsenden Ausgaben immer stärker auf die Endkunden ab. Die Folge sind Monatsbeiträge, die sich in nur wenigen Jahren, je nach gewähltem Leistungspaket, teilweise nahezu verdoppelt haben.

Zeitgleich schrumpft das Angebot der Streaminganbieter, oftmals auch abhängig vom Land, teils deutlich – immer mehr Serien und Filme wurden und werden im Laufe der Zeit auf immer mehr neue SVoD-Dienste und Konzerne verteilt, die ebenfalls ein Stück vom großen Streamingkuchen abbekommen wollen. Dass immer mehr Kunden genau diese Aufsplittung bei oftmals stark gestiegenen Monatskosten nicht mehr länger mitmachen wollen oder es finanziell schlichtweg nicht mehr können, scheint dabei leider zur Nebensache geworden zu sein.

Régis Werlé: Streaming ist gekommen, um zu bleiben

Es ist kaum möglich, halbwegs präzise zu prophezeien, wie sich der Markt in puncto Musik- und vor allem Videostreaming in den kommenden Jahren entwickeln wird. Diverse Marktführer der Branche haben bereits begonnen, Ausgaben künftig einzusparen und sich vermeintlich gesund zu schrumpfen – primär durch teils signifikanten Stellenabbau in den jeweiligen Konzernen.

Doch an den internationalen Börsen zeigt sich auch, dass der Streamingsektor mit all seinen großen wie auch kleineren Playern trotz aller Herausforderungen der letzten Zeit noch nicht abgeschrieben wurde. Dazu hat das an nahezu jedem Ort mögliche Ansehen von Videoinhalten oder das Hören von Musik zu jedem Zeitpunkt gesellschaftlich und kulturell bereits einen viel zu großen Stellenwert eingenommen. Eine Rückkehr zu einer Welt ohne diese Möglichkeiten erscheint mittlerweile, zumindest unter normalen Umständen, unmöglich.

Genau in dieser Tatsache liegen auch große Investitionspotenziale. Trotz – oder vielleicht auch wegen – der „Wachstumsschmerzen“ der Streamingbranche werden die dort aktiven Unternehmen zwangsläufig Wege finden (müssen), um sich mit immer komplexeren Lizenzrechtsituationen und einer wählerischen Kundschaft mit oftmals weniger finanziellen Mitteln zu arrangieren.

Da man – wenig überraschend – auch eine Rückkehr der Internet-Piraterie und des illegalen Herunterladens von Filmen, Serien oder Songs unter allen Umständen vermeiden möchte, stehen zwangsläufig unterschiedliche Prozesse des Wandels an. Nur so können zu viele Unternehmenspleiten und wieder eingestellte Streamingservices vermieden werden.

Mit dieser dezent optimistischen Erkenntnis gilt es, auch an der Börse auf das richtige beziehungsweise die richtigen Pferde zu setzen und in globale wie auch lokale Unternehmen zu investieren, welche entweder „too big to fail“ sind oder gar mit innovativen und verbraucherfreundlichen Konzepten überzeugen können. Denn wie schon eingangs erwähnt: Streaming ist gekommen, um zu bleiben.


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