Notre-Dame steht stellvertretend für so viele Orte in Europa für die kulturellen Gemeinsamkeiten dieses Kontinents. Wenn man so will, ist diese Kirche ein Zeitzeuge sowohl der französischen, aber auch der europäischen Geschichte. Die Kathedralen in Barcelona, Köln oder auch York verbindet ein Zusammenhalt, welcher in dem unbedingten Willen zur Bewahrung des Erbes eines Kontinents begründet ist. Am 15. April 2019 wurde dieser Zusammenhalt auf eine harte Probe gestellt, als das bisher unfassbare zur Wirklichkeit wurde.
Eine Feuerprobe für Europa
Ungläubig schauten die Pariser auf die lodernden Flammen vor ihnen. Wer sich an diesem Montagabend auf der kleinen Binneninsel Île de la Cité befand, konnte seinen Augen nicht trauen. Bei dem drohenden Verlust eines Wahrzeichens wie Notre-Dame, wird einem erst klar welch große Bedeutung ein Gebäude für die Identität einer ganzen Nation haben kann.
Der im Dachstuhl der Kirche ausgebrochene Brand hätte neusten Ermittlungen zufolge wohl deutlich früher entdeckt werden können. Da dies aber nicht geschehen ist, bahnten sich die Flammen schnell den Weg durch große Teile des Dachstuhls. Aus den beiden Türmen der Kathedrale stieg schwarzer Rauch auf. Ein Symbol des kulturellen Zusammenhalts schien vor den Augen der Weltöffentlichkeit zugrunde zu gehen. Doch der Brand konnte „rechtzeitig“ unter Kontrolle gebracht werden. Die ikonische Struktur der Kirche blieb erhalten und schon nach einer kurzen Zeit des Aufatmens wurden die Rufe nach einem schnellen Wiederaufbau immer lauter.
Die Zukunft von Notre-Dame
Präsident Emmanuel Macron antwortete auf diese Rufe mit ambitionierten Zielen. In fünf Jahren sollen die Restaurationsarbeiten abgeschlossen werden. Die französische Nationalversammlung hat zudem bereits grünes Licht für ein Gesetz gegeben hat, das einen schnellen Wiederaufbau ermöglichen soll. Dabei ist aufgrund der immer noch hohen Einsturzgefahr ein zügiges Vorankommen mit den Aufräumarbeiten nur bedingt umsetzbar. Die Finanzierung dieses Vorhabens sollte sich dabei jedoch als deutlich einfacher herausstellen als zuvor erwartet.
Innerhalb weniger Tage wurden ca. 850 Millionen Euro an Spenden für den Wiederaufbau zugesagt. Neben vielen kleinen Spenden aus der Bevölkerung haben vor allem Unternehmer große Summen angekündigt. So hat unter anderem die französische Milliardärsfamilie Arnault versprochen 200 Millionen Euro zum Wiederaufbau beizusteuern. Auch die Unternehmer Patrick Pouyanné und François Pinault möchten jeweils 100 Millionen Euro spenden. Die Bedeutung von Notre-Dame für ganz Europa wird auch dadurch deutlich, dass sich unter den zahlreichen Spendern auch Privatleute und Unternehmer aus anderen europäischen Ländern befinden. Die große Frage ist nun jedoch, ob diese angekündigten Spenden auch tatsächlich gezahlt werden. Derzeit wird davon gesprochen, dass erst ca. 80 Million Euro an Spenden eingegangen sind. Der bedeutende Großteil dieser Millionen stammt dabei tatsächlich aus der Bevölkerung und nicht von den Großspendern. Frankreichs Kulturminister Franck Riester betonte jedoch, dass derzeit Vereinbarungen mit den Großspendern getroffen werden.
In Anbetracht der kulturellen Bedeutung des 850 Jahre alten Bauwerks ist nur zu hoffen, dass das Interesse und die anfängliche Solidarität nicht unter der langwierigen Restaurationszeit leiden. Ein Feuer mag an einem Gebäude vielleicht eine Menge äußerlichen Schaden anrichten, seine Bedeutung verliert es dadurch aber nicht. Im Gegenteil.
Jahrgang 1981 aus Straßbourg, ist als freier Journalist für verschiedene Online-Medien in ganz Europa unterwegs – Schwerpunkte sind die Bereiche Finanzen, Immobilien und Politik. Seine fachliche Expertise sammelte er als Berater für Global Player sowie Mittelständler. Fournier studierte Wirtschaft und Deutsch in Paris und Dresden. Zur Zeit lebt er im Saarland und verstärkt seit Anfang 2019 das Euro Leaders-Team.