Die Diskussion über nachhaltiges Bauen hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten nicht nur in der internationalen Baubranche immer lauter und deutlicher geworden. Auch in der Bevölkerung, gerade in Deutschland, ist ein klimabewusstes und wesentlich energieeffizienteres Bauen und Wohnen immer mehr ins Bewusstsein gerückt. Doch mit den nachhaltigen Neubauten und den Sanierungen alter Gebäudekomplexe, welche die neuen Standards und Ziele noch bei Weitem nicht erfüllen, stellt sich auch die essenzielle Frage nach den Kosten. Ist es gerade für Menschen mit geringem Einkommen überhaupt möglich, in den kommenden Jahren sowohl klimaneutral als auch bezahlbar zu wohnen oder gar zu bauen?
Zwei hehre Ziele auf Kollisionskurs?
Die momentane Politik in Deutschland sieht vor, dass sämtliche Gebäude bis spätestens 2050 zumindest klimaneutral sein sollen. Dass der Bau von Wohn- und Arbeitsraum nach den neuen Standards und Forderungen oder energetische Sanierungen bereits vorhandener Gebäude die Preise weiter nach oben treiben, liegt auf der Hand – denn Klimaschutz kostet bei aller Notwendigkeit, besonders anfangs, viel Geld.
Die deutsche Bundesregierung plant allerdings zeitgleich auch die massive Schaffung von neuem und vor allem sozialem Wohnraum, den sich auch zahlreiche Menschen mit einem eher geringen Einkommen leisten können sollen. Wie verträgt sich dieses Ziel mit dem klimabewussten, nachhaltigen Bauen, welches die Kosten für das Mieten und Bauen zwangsläufig nach oben treibt?
Gerade in gefragten Ballungsgebieten sind die Baukosten in den letzten Jahren besonders stark angestiegen. Mussten im Jahr 2000 für einen Quadratmeter Wohnfläche in einem Mehrfamilienhaus durchschnittlich etwa 2.200 € einkalkuliert werden, waren es 2020 mit etwa 3.700 € schon fast doppelt so viel.
Für diesen deutlichen Preisanstieg sind zu großen Teilen zwar die teureren Bauleistungen, Konstruktionsmaterialien und Baulandflächen verantwortlich, die neuen energetischen Anforderungen des nachhaltigen Bauens haben aber ebenfalls ihren Teil dazu beigetragen. Die Investitionen fallen gerade anfangs umso höher aus, je energieeffizienter gebaut werde. Im Laufe der individuellen Lebenszyklen von Gebäuden können die zu Beginn höheren Kosten allerdings durch einen wesentlich geringeren Energieverbrauch wieder ausgeglichen werden.
Simplifiziert ausgedrückt: Wer anfangs bei Bau oder Sanierung mehr investiert, muss im Laufe des Nutzungszyklus von Gebäuden insgesamt weniger ausgeben, besonders für externe Energie- und Heizquellen.
Weniger ist mehr
Auch beim nachhaltigen Bauen muss allerdings ein rationales Optimum angestrebt werden, welches Kosten und Nutzen sinnvoll verbindet. Der Standard Effizienzhaus 55, bei welchem ein Gebäude in Relation zum Referenzgebäude des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) nur 55% der Primärenergie benötigt, wird dabei heutzutage als eine Art neuer und goldener Standard angesehen.
Bessere Energieeffizienzstufen, etwa 40 oder 40 Plus, sind zwar grundsätzlich noch besser, doch das Plus an Energieeinsparung muss hier auch mit überproportional höheren Kosten erkauft werden. Die Ausgaben für das notwendige Material oder auch die Konstruktionsflächen steigen hier noch einmal deutlich. Wer sich also zu stark auf die reine Energieeffizient konzentriert, vernachlässigt damit zwangsläufig auch die ursprünglich angestrebte Klimaneutralität. Es gilt hier also, eine optimale Balance zu finden, nicht das technisch mögliche Maximum, um Investitionskosten – und damit letztlich auch die Wohnkosten – nicht unnötig in die Höhe zu treiben.
Die DGNB (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen) betont daher die Bedeutung eines simpleren, robusteren Bauens im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Effizienz und vor allem Klimaneutralität. Wie auch die Bundesarchitektenkammer fordert sie eine ganzheitliche Betrachtung auf den Planungs- und Bauprozess, welche die CO²-Belastung und die Kosten bei der Produktion von Baumaterial, dem eigentlichen Bau, Nutzung, Werterhalt und letztlich auch den Abriss des Gebäudes berücksichtigt. Dann würden, so die DGNB, ökologische Baustoffe wie Dämmstoffe aus pflanzlichen Fasern oder Lehm auch wirtschaftlich einen Sinn ergeben.
Die Politik ist weiterhin gefragt
Da gerade ökologische Baustoffe, die eben nicht aus einer günstigeren Massenproduktionsindustrie stammen, allerdings zwangsläufig teurer sind und von ihnen zumeist auch größere Mengen benötigt werden, müsse laut DGNB die Politik eingreifen und ihre Förderprogramme noch weiter ausbauen. Klimaschutz und Klimaneutralität kosten mehr Geld. Eine spätere Refinanzierung über deutlich gestiegene Mietkosten wäre zwar grundsätzlich möglich, steht aber klar im Konflikt mit den Zielen der Bundesregierung, neben klimaneutralen eben auch bezahlbaren Wohnraum erschaffen zu wollen.
Neue und vor allem konkretere Förderprogramme sollten auf allen Seiten dazu beitragen, nicht nur energieeffizientes und klimaneutrales Bauen finanziell zu unterstützen, sondern auch Menschen mit geringerem Einkommen auf Dauer zu entlasten. Weitere signifikante Preissteigerungen bei den Miet- und Baukosten wären hier extrem kontraproduktiv und würden die bereits seit Jahren vorhandenen Probleme nur weiter verschärfen.
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Jahrgang 1981 aus Straßbourg, ist als freier Journalist für verschiedene Online-Medien in ganz Europa unterwegs – Schwerpunkte sind die Bereiche Finanzen, Immobilien und Politik. Seine fachliche Expertise sammelte er als Berater für Global Player sowie Mittelständler. Fournier studierte Wirtschaft und Deutsch in Paris und Dresden. Zur Zeit lebt er im Saarland und verstärkt seit Anfang 2019 das Euro Leaders-Team.