Die Philosophie, bei Geldanlagen nicht ausschließlich auf die Rendite zu blicken, sondern auch darauf zu achten, wie sich das eigene Investitionsverhalten auf Umwelt und Gesellschaft auswirkt, gewinnt in der Bundesrepublik immer mehr Anhänger. Das belegt eine Studie des Marktforschungsunternehmens Kantar im Auftrag des Bundesverbands deutscher Banken.

Wie auch global, kommt es bei deutschen Anlegern vor allem auf eine gültige und belastbare Definition des Begriffs Nachhaltigkeit an – und die ist bisher noch nicht gefunden. Die Kantar-Umfrage zeigt, dass es hier besonders hohe Erwartungen unter den Investoren gibt. Dessen ungeachtet steigt der Anteil grüner Anlageprodukte in der Bundesrepublik gleichmäßig an.

Investitionsfreude hängt vom Einkommen ab

Dass Menschen mit hohem Einkommen mehr investieren als Menschen mit niedrigem Einkommen, ist auf den ersten Blick eine lapidare Erkenntnis. Die Studie zeigt allerdings auf, dass sich der Unterschied auch relativ auswirkt: Menschen mit höherem Einkommen verwenden einen höheren Anteil ihres Gesamteinkommens für nachhaltige Investitionen als Menschen mit niedrigem Einkommen.

Dieses Investitionsverhalten lässt zwei unterschiedliche Lesarten zu: Einerseits könnten Menschen mit höherem Einkommen tendenziell ein höheres Umwelt- und Sozialbewusstsein aufweisen und deshalb bereit sein, einen höheren Anteil ihres Einkommens in nachhaltige Projekte zu investieren. Andererseits könnte auch ein pragmatischer Grund dahinter stecken: Menschen mit niedrigem Einkommen haben für die allgemeinen Ausgaben der Lebensführung weniger Mittel zur Verfügung. Daher muss der prozentuale Anteil für Geldanlagen zwangsläufig geringer ausfallen.

Besonders starke Wachstumsraten zeigen laut Studie Haushalte mit einem Einkommen ab 3.500 Euro monatlich. Hier haben im laufenden Jahr bereits 24 Prozent in nachhaltige Produkte investiert. 2021 betrug der Anteil noch 15 Prozent.

Investorenzahl steigt rapide an

Die Kantar-Studie zeigt auf, wie massiv sich das Investoreninteresse in der letzten Zeit in Richtung ESG verlagert hat. So hat sich die Zahl der privaten Investoren für nachhaltige Anlageprodukte in Deutschland von drei Millionen im Jahr 2019 auf heute sechs Millionen verdoppelt.

Besonders interessant ist dabei der Blick auf das Gesamtvolumen. Selbst nach dem rasanten Anstieg beträgt der Anteil nachhaltiger Investments am gesamten Anlagevolumen in der Bundesrepublik erst rund elf Prozent. Damit präsentiert sich der nachhaltige Anlagemarkt als hochkarätiges Wachstumssegment: hohe Nachfrage und starkes Produktinteresse bei noch geringen Marktanteilen. Eine eventuelle Sättigungsgrenze liegt noch in weiter Ferne.

Fehlendes Know-how als Hemmschwelle

Nach Erkenntnissen der Studie könnte das nachhaltige Investitionsvolumen heute schon erheblich größer sein, wenn der Wissensstand rund um ESG bei den privaten Investoren höher wäre. Vielfach trifft ein noch nicht konkret fokussierter Wille, sich bei Geldanlagen ökologisch und gesellschaftlich nachhaltig zu verhalten, auf mangelndes Wissen um die vorhandenen Möglichkeiten, auf Missverständnisse und auf Fehlinformationen. Hier sind insbesondere Berater und Banken gefragt: In ihrer Hand liegt es, privaten Anleger die Vorteile nachhaltiger Investments bei gleichzeitig guten Renditen vor Augen zu führen.

Das Wissensdefizit hat laut Studie derzeit noch erhebliche Ausmaße. So geben 42 Prozent der Befragten an, von nachhaltigen Anlageprodukten bereits gehört zu haben, sie aber bisher wegen fehlender Informationen nicht berücksichtigt zu haben. Gleichzeitig zeigt sich eine hohe Akzeptanzbereitschaft: 61 Prozent dieser Gruppe können sich vorstellen, in Zukunft in ESG-Produkte zu investieren.

Besondere Wissensdefizite zeigen sich bei der Frage, was der Klasse der nachhaltigen Investments zuzurechnen ist. Selbst die naheliegendsten Themen wie umweltfreundliche Produkte, erneuerbare Energien und Klimaschutz sind nur 24 Prozent der Studienteilnehmer bekannt. Lediglich neun Prozent rechnen dem Thema ESG nachhaltige Produktionsverfahren zu und nur sechs Prozent denken, dass auch Compliance und ethische oder soziale Produkte der Klasse Green Invest zugehören. Auch hier liegt noch ein weites Feld der Wissensvermittlung vor Beratern und Banken.

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