Die Corona-Pandemie stellt Gesellschaft und Wirtschaft weiterhin auf eine harte Probe. Dabei haben Bevölkerung und Unternehmen die Aufgabe, Abstandsregelungen und Hygienekonzepte umzusetzen, um gemeinschaftlich Erfolge gegen das Covid-19-Virus zu erzielen. Besonders rückte dabei die Versicherungsbranche in den Fokus der Öffentlichkeit.

Marcel Armon, erfolgreicher Manager und Unternehmer in der Versicherungsbranche, hat durch seine langjährigen Erfahrungen den Überblick über die gesamte Branche.

Herr Armon, vor welche Herausforderungen stellt die Corona-Pandemie die Versicherungswirtschaft?

Generell ist zu sagen, dass die Corona-Pandemie eine Veränderung im Bewusstsein der Gesellschaft und dadurch bedingt auch der Versicherungskunden bewirkt. Risiken werden nun bewusster wahrgenommen und intensiver geprüft, und so rückt die Versicherungsbranche stärker in den öffentlichen Fokus. Durch die Lockdowns und die Ausrufung des europäischen Auslands als Risikogebiete geriet vor allem die Reise- und Veranstaltungsbranche in große Bedrängnis. Nahezu alle Großveranstaltungen wurden verschoben oder annulliert, wodurch die Veranstaltungsausfall-Versicherung stark in Anspruch genommen wurde. Alleine die Munich Re hat in den ersten drei Quartal 2020 coronabedingte Schäden in Höhe von 2,3 Mrd. Euro verbucht.

Das Problem ist, dass die Branche auch ohne Corona vor enormen Herausforderungen stand. Durch das anhaltende Niedrigzinsniveau bangen insbesondere Lebensversicherer um ihre Existenzberechtigung. Dazu kommen gestiegene Anforderungen in Sachen Regulatorik und der Nachholbedarf bei der Digitalisierung.

Große Sorge bereiten mir die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie, die wir noch nicht vollumfänglich übersehen können. Viele unserer Kunden stehen wirtschaftlich unter Druck und leiden unter pandemiebedingten Umsatzausfällen. Sowohl die Kredit- und Kautionsversicherung als auch die Haftpflichtversicherung rücken ebenso wie die D&O-Policen stärker in den Fokus. Noch ist die Zahl der der gemeldeten Schäden in diesen Versicherungsbereichen überschaubar. In den nächsten 18 Monaten werden wir einen nennenswerten Anstieg von Unternehmensinsolvenzen sehen. Damit einhergehend kommen Versicherungsschäden durch Forderungsausfall in der Kredit-Versicherung und Ansprüche gegenüber Managern gerade durch Insolvenzverwalter in der D&O-Versicherung durch Insolvenzverwalter auf uns zu.

Das sind ja Pandemie-Folgen in vielen Bereichen. Haben diese Auswirkungen auf die Reputation von Versicherungen?

Es gibt eine direkte Korrelation zwischen der Corona-Pandemie und der Reputation der Assekuranz. Bei Betriebsschließungs-Versicherungen herrscht momentan große Unsicherheit auf Kundenseite, denn viele Policen zahlen mit Verweis auf Formulierungsfeinheiten nicht, die den Kunden vorher nicht aufgefallen waren – und vielleicht auch nicht ausreichend erklärt. Ähnliches gilt für die Veranstaltungsausfall-Versicherung. Die Kunden werden skeptischer, ob sie von den Versicherern nicht über den Tisch gezogen werden und prüfen die versicherten Leistungen künftig wohl noch genauer.

Eine Guidewire-Studie vom März 2020 bestätigt, dass die Reputation der Versicherer während der Corona-Pandemie erheblichen Schaden genommen hat. In einer Stichprobe von 3000 Befragten gaben 21 Prozent an, dass sie das Verhalten der Versicherer aktuell negativ bewerten. 23 Prozent der Verbraucher hatten bereits vor der Krise ein negatives Bild der Assekuranz. Addiert man die beiden Zahlen, zeichnet sich das Ausmaß des Reputationsschadens ab: Mehr als 40 Prozent der Verbraucher haben ihr Vertrauen in die Branche verloren. Das verlangt nach der Veränderung von Produkten und vor allem nach mehr Transparenz und durchaus auch mehr Fairness im Umgang. Ähnliche Tendenzen sind auch in Frankreich und Großbritannien zu verspüren und gründen auf der zögerlichen Bereitschaft zur Schadensregulierung. Nur 11 Prozent der Kunden haben aktuell eine positive Meinung von der Versicherungsbranche. Das ist erschreckend wenig.

Wie kann die Versicherungsbranche das Vertrauen der Kunden zurückgewinnen?

Eine Krise definiert sich dadurch, dass sie unvorhergesehen kommt und ihre Folgen einschneidend sind. Dadurch verändern sich die Bedürfnisse und Wünsche unserer Kunden rasant. Diese muss die gesamte Branche ernst nehmen, gezielt analysieren und daraus gute Strategien und Konzepte ableiten. Dabei geht es um die Frage der Weiterentwicklung unserer Produkte ebenso wie um die Glaubwürdigkeit, dass wir im Schadenfall unser Leistungsversprechen einhalten.

Insgesamt wird sich die Versicherungsbranche stärker ihrer Verantwortung bewusst werden und diese auch annehmen müssen. Jede einzelne Auseinandersetzung, die über den juristischen Weg ausgefochten wird, bedeuten zwangsläufig weitere reputative Schäden und entfernt Versicherungsbranche und Kunden noch weiter voneinander.

Welche potentiellen Chancen ergeben sich für die Versicherungsbranche durch, während oder nach der Corona-Pandemie?

In jedem Ende liegt ein Anfang inne. Dieses Hermann Hesse zugeschriebene Zitat gilt auch für jede Krise, mit der auch eine bereinigende Wirkung einhergeht. Viele Unternehmen müssen ihre Geschäftsmodelle digitaler aufstellen. Einige werden es nicht schaffen und aus dem Markt ausscheiden. Denn die digitale Transformation ist einfacher gesagt als getan. Sie fängt mit dem Verschlanken von Prozessen an, von denen jeder einzelne auf seinen Sinn hinterfragt werden muss. Sich von der bisher empfundenen Sicherheit in der einen Komfortzone zu verabschieden, wird vielen Mitarbeitern sehr schwerfallen.

Trotz dieser Herausforderungen bin ich guter Dinge, dass die Branche sich prächtig weiterentwickelt. Denn gerade diese Krise hat gezeigt, wie flexibel die Branche sein kann, wenn es darauf ankommt. Hätten wir vor einem Jahr darüber philosophiert, ob 100 Prozent Home-Office möglich sind? Und heute läuft es erstaunlich gut, teils sogar effizienter als im Büro. Das Neugeschäft funktioniert mittels Videoberatung. Wirklich bedauerlich wäre, wenn die Versicherer post-Corona den Weg der Modernisierung ihrer Prozesse wieder verlassen würden.

Vielen Dank für dieses Interview, Herr Armon.

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