Als Pädagogin mit Spezialisierung in den Bereichen Traumapädagogik, traumasensibler Beratung und Psychotraumatologie bringt Samira Langer-Lorenzani eine umfassende Expertise in die Arbeit mit traumatisierten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ein. In ihrer Beratung gibt sie Betroffenen auch Strategien zur Selbsthilfe mit an die Hand, die diese im Alltag mit einbauen können.

Die Bewältigung von Traumafolgestörungen oder Lebenskrisen ist eine immense Herausforderung, die oft professionelle Unterstützung erfordert. Für diejenigen, die derzeit auf der Suche nach therapeutischer Begleitung sind oder aus verschiedenen Gründen keinen Zugang zu professioneller Hilfe haben, können bestimmte Selbsthilfestrategien eine wertvolle Zwischenlösung bieten.

Techniken zur Reorientierung

Sogenannte Reorientierungstechniken sind besonders hilfreich, wenn man das Gefühl hat, die Kontrolle zu verlieren oder in einer stressigen Situation festzustecken. Diese Methoden helfen dabei, sich wieder im Hier und Jetzt zu verankern und die innere Balance wiederzufinden. Eine Möglichkeit ist, den Boden unter den Füßen bewusst wahrzunehmen und zu spüren, wie die Erde einen trägt. Auch Bewegung kann hilfreich sein, z.B. das Stampfen mit den Füßen, sich selbst abzuklopfen und das Belastende vom Körper abstreichen. Doch es geht nicht nur darum, den eigenen Körper, also sich selbst, wahrzunehmen, sondern auch seine Umgebung. Hier kann es helfen, sich im Raum umzuschauen und laut die Gegenstände, die man sieht, zu benennen, zu berühren und zu zählen. All diese Aktivitäten helfen, sich im Raum und in der Gegenwart zu orientieren und dadurch das Gefühl von Kontrolle und Sicherheit zurückzugewinnen.

Selbstfürsorge – (Wieder) Lernen, gut zu sich selbst zu sein

Selbstfürsorge ist ein essenzieller Bestandteil der Bewältigung von Traumafolgestörungen. Diese Praktiken helfen dabei, sich selbst wieder näherzukommen und Wohlbefinden zu fördern. Dafür können Betroffene sich z.B. Fotos des Lieblingsurlaubes ansehen, einen Spaziergang in einer schönen Umgebung machen oder eine Duftlampe mit dem Lieblingsduft entzünden. Musik kann ebenfalls sehr tröstend sein, wenn die Lieblingslieder gehört werden. Bewegung, ob durch Sport, Gymnastik oder Tanzen, kann ebenfalls sehr wohltuend sein. Auch der soziale Kontakt ist wichtig: Die Verbindung zu nahestehenden Menschen wie Familie oder Freunden kann vielen helfen, zu sich selbst und auch in die Gesellschaft zurückzufinden.

Das Erinnern an innere Ressourcen

Jeder Mensch verfügt über innere und äußere Ressourcen, die in Krisenzeiten aktiviert werden können. Diese Ressourcen sind oft der Schlüssel zur Überwindung von schwierigen Situationen. Innere Stärken wie Kreativität, positive innere Bilder, positive Erfahrungen, Durchhaltevermögen, Humor und Fantasie können sehr hilfreich sein. Auch soziale Unterstützung ist wichtig: Haustiere, unterstützende Freunde und Familienmitglieder, ein guter Therapeut oder Arzt, Nachbarschaftskontakte und Sportvereine können eine wertvolle Hilfe sein. Materielle Sicherheit, wie ein sicherer Arbeitsplatz, finanzielle Sicherheit und eine stabile Wohnsituation, bietet ebenfalls eine wichtige Grundlage für die Bewältigung von Krisen.

Hilfreiche Methode: Der Notfallkoffer für Krisenzeiten

Ein „Notfallkoffer“ kann ein praktisches und psychologisches Hilfsmittel sein, um in Krisensituationen schnell auf unterstützende Maßnahmen zugreifen zu können. Dafür erstellen Betroffene eine Liste mit allen Dingen, die ihnen jemals geholfen haben und die ihnen guttun. Die Liste sollte so angeordnet sein, dass die hilfreichsten Dinge ganz oben stehen und nur konstruktive Dinge aufgeschrieben werden. Die Dinge, die nun auf der Liste stehen, werden dann tatsächlich in einen Koffer gepackt. Dieser Koffer sollte jederzeit griffbereit an einem gut zugänglichen Ort stehen. Beispiele für Inhalte des Notfallkoffers sind ein Handstein, Fotos, scharfe Bonbons, eine Duftkerze, ein Kuscheltier, ein Igelball, Parfum, eine Wärmflasche, Lieblingskekse, ein Kissen, ätherische Öle, ein Tagebuch sowie Stifte und Papier und Ihre Lieblingsmusik. Für den Fall der Fälle steht nun dieser Notfallkoffer bereit, und allein der Gedanke an diese Möglichkeit hilft vielen Betroffenen schon durch schwierige Phasen.

Unterstützung für Kinder mit Trauma

Kinder reagieren auf Traumata anders als Erwachsene und benötigen daher spezielle Unterstützung. Diese Strategien sind vor allem für Eltern, Lehrer und andere Betreuungspersonen gedacht. Traumata bei Kindern können schwerwiegende Kurz- und Langzeitfolgen haben. Zu den häufigsten Symptomen gehören wiederkehrende Erinnerungen, sich wiederholende Verhaltensweisen, Ängste und eine veränderte Einstellung zu Menschen und dem Leben. Es ist vorteilhaft, wenn mehrere vertraute Personen früh in die Pflege des Kindes einbezogen werden. Besonders im Krankenhaus sollten Eltern täglich anwesend sein und bei medizinischen Maßnahmen mit einbezogen werden.

Zum Beispiel sollte Kindern in ihrer eigenen Sprache bevorstehende medizinische Behandlungen erklärt und diese mit Puppen nachgespielt werden. Es ist wichtig, bedrohliche Aspekte zu reduzieren und das Vertrauen zu stärken. Auf die Gefühle der Kinder muss eingegangen werden – gegebenenfalls brauchen sie auch Hilfe dabei, diese auszudrücken. Reaktionen wie Weinen sollten dabei niemals bewertet oder gar verboten werden.

Selbsthilfestrategien können eine wertvolle Unterstützung sein, um Traumafolgestörungen und Lebenskrisen zu bewältigen. Durch Reorientierungstechniken, Selbstfürsorge, das Erinnern an Ressourcen und die Vorbereitung eines Notfallkoffers kann man lernen, sich selbst in schwierigen Zeiten besser zu regulieren. Für Eltern und Betreuer ist es zudem essenziell, kindliche Traumata sensibel zu begleiten und präventive Maßnahmen zu ergreifen, um langfristige Schäden zu vermeiden. Indem man sich selbst und anderen mit Mitgefühl und Verständnis begegnet, kann der Weg zur Heilung erleichtert werden.


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