Ein Interview mit Prof. Dr. Max Otte
Durch seine Publikationen und vielzähligen Medienauftritten, erlangte Max Otte große Popularität zu Fragen und Antworten ökonomischer und gesellschaftspolitischer Zusammenhänge. Der mehrmals zum Börsianer des Jahres gewählte Unternehmer und Value Investor spricht ausführlich über seine vielfältige Karriere, seine aktuellen Aktivitäten und die Situation an den Finanzmärkten.
Herr Prof. Dr. Otte, wenn man sich Ihre Tätigkeiten anschaut, fällt zunächst einmal deren Vielfalt auf. In den Medien werden Sie als Wirtschaftsprofessor, Ökonom, Börsenspezialist oder auch Publizist betitelt. Wie würden Sie sich selbst bezeichnen und welches sind aktuell Ihre Tätigkeitsschwerpunkte?
Prof. Max Otte: Ich führe zwar noch rechtmäßig den Professorentitel, bin aber nach Professuren an der Boston University, der Hochschule Worms und der Karl-Franzens-Universität Graz sowie Lehraufträgen an der Universität Erfurt und der Ludwig-Maximilians-Universität Würzburg aus dem Hochschuldienst ausgeschieden und habe auch meine verbeamtete Professur aufgegeben.
Ich bin vor allem Unternehmer und Value Investor. Ich schreibe zwar Bücher, aber Publizist bin ich nicht; das ist jemand, der von seinen Publikationen lebt, was für mich nicht zutrifft.
Ich habe zwei Unternehmen begründet und bin an zwei weiteren beteiligt. Im Jahr 2003 gründete ich das Institut für Vermögensentwicklung GmbH, das Finanzinformationen herausgibt. Ziel und Mission des Unternehmens ist es, den Aktienmarkt interessierten Laien zu erschließen und zu erklären, sowie diese in die Lage zu versetzen, eigene Entscheidungen an der Börse zu treffen.
Bleiben wir kurz bei Ihrer Zeit als Professor an verschiedenen Universitäten. Sie haben auf eigenem Wunsch hin Ihre verbeamtete Lebensstelle in Worms und Ihre Professur in Graz mittlerweile beendet. Wie kam es zu diesem Schritt?
Prof. Max Otte: Ich habe meinen Job an der Hochschule gerne gemacht und ich denke, dass die Mehrzahl meiner Studenten mich in guter Erinnerung hat. Aber die Hochschulen, an denen das freie Denken souveräner Menschen und die Ausbildung der Kritikfähigkeit einen wichtigen Raum einnehmen sollten, sind mittlerweile oft Vorreiter bei der Einschränkung der Meinungsfreiheit und der Ideologisierung von Lehrinhalten geworden.
Können Sie Beispiele nennen?
Prof. Max Otte: Schon als ich 2011 an die Universität Graz berufen wurde, musste der Leiter der Berufungskommission etliche Umwege gehen und erheblichen Aufwand betreiben, um die Berufung durchzusetzen und das nur, weil ich einen Artikel in einer Zeitung veröffentlich hatte, der jemandem nicht passte.
Das Klima wurde mit den Jahren immer restriktiver.
2018 wurde eine private Vorlesung von mir (Anm. d. Red.: „Deutschland im Spannungsfeld von Globalisierung und Geopolitik“) an der Universität zu Köln von gewaltbereiten Studenten blockiert und verhindert, die wahrscheinlich keinerlei Interesse an und Kenntnis von meinen Inhalten hatten.
Das wollte ich mir nicht mehr antun. Als Privatperson kann ich freier wirken. Zudem hatten meine unternehmerischen Aktivitäten so stark zugenommen, dass ich 2019 meinen Abschied genommen habe.
Als Unternehmensgründer und Value Investor konzentrieren Sie sich also nun auf Dienstleistungen zur Vermögensbildung mit Aktien. Was ist Value Investing genau?
Prof. Max Otte: Mein Team und ich agieren als Value Investoren. Wir investieren langfristig in Aktien von guten Unternehmen mit tragfähigen Geschäftsmodellen und orientieren uns am Investmentstil von Warren Buffett. Unsere Art des Investierens unterscheidet sich damit deutlich von Private Equity oder auch vom kurzfristigen Trading und von Spekulationen.
Unser Ziel ist der langfristige Vermögensaufbau für Privatinvestoren mit transparenten Investments und fairen Gebühren.
Value Investoren betrachten Aktien nicht als Papiere, die kurzfristig an der Börse gehandelt werden, sondern als Anteilsscheine an Unternehmen. Wir schauen uns also die Unternehmen an und prüfen, ob diese eine gute Zukunft haben. Finden wir die Aktie eines Unternehmens, die uns zusagt, halten wir sie möglichst langfristig.
Zu diesem Zweck analysieren wir Geschäftsmodell, Management und Bilanz eines Unternehmens und versuchen, uns in die Schuhe des Unternehmers oder des Managements hineinzuversetzen und so die Zukunft des Unternehmens zu prognostizieren. Hierzu habe ich die sogenannte „Königsanalyse“ entwickelt, die anhand eines Punkteschemas die Qualität von Unternehmen bewertet.
Nur wenn die Qualität angemessen ist, schauen wir uns an, ob die Aktie einigermaßen oder vielleicht sogar sehr preiswert zu haben ist. Wenn das der Fall ist, bauen wir eine Position auf, wenn wir investierbare Mittel haben und die Aktie in unser Portfolio passt.
Seit wann gibt es diese Anlagestrategie?
Prof. Max Otte: Value Investing wurde zuerst von Benjamin Graham entwickelt und dann durch Warren Buffett bekannt gemacht. Mittlerweile arbeiten etliche Investmenthäuser nach diesem System. Meistens sind es kleinere und unabhängige Investmenthäuser, da unser langfristiger Stil und unser Fokus auf Fundamentalanalyse sich teilweise mit den Praktiken der Finanzbranche beißt, die auf schnelle Gewinne aus ist.
Ich habe mit einem Börsen- und Aktieninformationsdienst sowie einigen Büchern zum Thema Value Investing angefangen. Mittlerweile konzentriere ich mich auf das Management meiner Aktien- und Mischfonds. Hier kann ich mehr bewegen.
Könnten Sie uns einen kurzen Auszug Ihres Produktspektrums geben?
Prof. Max Otte: Einer unserer Fonds ist der „Max Otte Multiple Opportunities Fonds“, ein Alternativer Investmentfonds (AIF) für Anleger ab 100.000 Euro, der in Aktien, physische Edelmetalle und gegebenenfalls Anleihen investiert. Mit dem „Max Otte Multiple Opportunities (MOMO)“ bieten wir eine Vermögensverwaltung aus einer Hand am Standort Liechtenstein. Der Fonds ist aber auch in Deutschland zugelassen.
Der „PI Vermögensbildungsfonds“ ist ein aktienlastiger Mischfonds für jedermann, den Sie bei jeder Bank bekommen sollten und täglich handeln können. Er ist zudem sparplanfähig, so dass interessierte Anleger bereits mit unter 100 Euro einsteigen können.
Neben den Fonds und den Finanzinformationen bieten wir über einen Partner auch individuelle Vermögensverwaltung an.
In Ihren Büchern beleuchten Sie unter anderem das Finanzsystem und prognostizierten „Crash-Szenarien“.
Prof. Max Otte: Ich habe Bücher zu den verschiedensten Themen geschrieben, darunter zunächst einmal Unternehmen zur Kapitalanlage und Aktienanalyse, die sich ausschließlich mit Analyse und Anlagestrategie und nicht mit dem Finanzsystem befassten.
Mehr und mehr habe ich mich deswegen auch zu allgemeinen ökonomischen Themen und zum Finanzsystem geäußert. Schließlich Betriebswirtschaft und Ökonomie studiert und in politischer Ökonomie promoviert.
Im Jahr 2006 schrieb ich dann „Der Crash kommt“. Als der Crash dann eintrat, wurde ich einer breiteren Öffentlichkeit bekannt und war eine Weile quasi Dauergast in den Fernsehsendern.
Die Medien nannten mich daher einen „Krisenökonomen“, was ich durchaus stehenlassen kann, aber auch einen „Crashpropheten, der mit der Panik Geld verdient“ – das wiederum kann ich so nicht stehenlassen, denn ich habe vier- bis fünfmal so viele positive Börsenprognosen wie negative gemacht. Und ich lag meistens richtig.
Ich bin Börsenbulle und war die meiste Zeit optimistisch. Wenn ich dann mal Crashs vorausgesagt habe, traten sie auch ein. Die Tatsache, dass ich eine Krise des Finanzsystems und vielleicht sogar des politischen Systems beschreibe und analysiere, heißt für das langfristige Investieren zunächst einmal gar nichts. Die Medien können das aber nicht auseinanderhalten.
Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Lage – wie beurteilen Sie denn die Situation mit Blick auf den Börsenmarkt?
Prof. Max Otte: Wir befinden uns in einer höchst gefährlichen Lage. Das heißt aber keinesfalls, dass Anleger die Finger von Aktien lassen sollten. Aktien sind Sachwerte. Gerade in Zeiten hoher Inflation könnten Aktien als Sachwerte besonders nachgefragt sein; es könnte einen Run auf diese geben, eine sogenannte „Katastrophenhausse“. Aktieninvestments können durch den Besitz von Edelmetallen ergänzt werden. Immobilien hingegen finde ich derzeit zu riskant und zu teuer. Aber das würde weitere längere Ausführungen erfordern.
In a nutshell, also…
Prof. Max Otte: …eine gute Mischung aus Sachwerten. Vor allem Qualitätsaktien und Edelmetalle, gegebenenfalls auch nicht alles in Deutschland, ist wahrscheinlich der beste Weg, Vermögen in dieser schwierigen Zeit zu erhalten und zu vermehren.
Als sogenannte „Promi-Fonds“ werden Finanzprodukte gelabelt, die von in der Öffentlichkeit stehenden Personen lanciert werden. Schließen sich Prominenz und fundierte Vermögensberatung gegenseitig aus?
Prof. Max Otte: Zunächst einmal möchte ich betonen, dass ich kein „Promi-Fonds“ betreibe, obwohl mich verschiede Medien – wohl in abwertender Absicht – so darstellen. Unter Promi-Fonds verstehe ich jemanden, der seine Prominenz nutzt, um Geld einzusammeln, für den also das Marketing das Wichtigste ist.
Ich war Value Investor lange bevor ich bekannt wurde, auch meine ersten Fonds habe ich lanciert, vor der Zeit der öffentlichen Auftritte. Dabei war nicht der Aspekt des Marketings ausschlaggebend, sondern das Ziel, transparente und ordentliche gemanagte Produkte für den langfristige Vermögensaufbau zu schaffen, hinter denen ich mit meinem Namen stehe.
Mein ältester Fonds, der PI Global Value Fonds, ist mittlerweile 15 Jahre alt und wird immer noch von mir gemanagt. Die durchschnittliche Verweildauer eines Fondsmanagers in der Branche beträgt hingegen gut 4 Jahre. Ich nehme meine Verantwortung ernst.
Nun gab es in den letzten Jahren tatsächlich einige Promifonds. Was die Medien einigen von uns vorwerfen, ist die Tatsache, dass das Erklären von Wirtschaft und das Fondsmanagement zwei völlig unterschiedliche Tätigkeiten sind. Aber das ist kein Vorwurf, das ist Fakt. Sonst wären ja gute Wirtschaftsjournalisten automatisch gute Fondsmanager. Manche meiner Kollegen scheinen nur eins der beiden Handwerke zu beherrschen. Ich glaube, dass ich mich in beiden Bereichen bewiesen habe.
Sie waren auch politisch aktiv und können somit auf einen großen Erfahrungsschatz aus unterschiedlichen Verpflichtungen verweisen. Was ist Ihr persönliches Resümee aus dieser Zeit?
Prof. Max Otte: Ich komme aus einem christdemokratisch geprägten Haus und das Politische hat mich schon immer interessiert. Aus Dankbarkeit für mein Stipendiat der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, trat ich nach dem Studium in die CDU ein. Politiker war ich nur etwas mehr als ein halbes Jahr und das auch nur in Form eines ehrenamtlichen Engagements. Das gipfelte in meiner Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten.
Durch einige Veranstaltungen wie beispielsweise das von mir initiierte Neue Hambacher Fest oder auch den Human Roots Award kann man mich eher als politischen Aktivisten bezeichnen.
Sie sahen sich aber auch mit kritischen Stimmen konfrontiert.
Prof. Max Otte: Von 2018 bis Anfang 2021 war ich als CDU-Mitglied Vorsitzender des Kuratoriums der AfD-nahen Desiderus-Erasmus-Stiftung, einem rein wissenschaftlichen Beratunsgremium ohne Entscheidungsfunktionen. Das führte zu etlichen Anfeindungen.
In der Zeit als Vorsitzender der Werteunion ging die Presse nun zu offener Diffamierung über, vielleicht, weil man mich im Gegensatz zu meinem Vorgänger als politisch relevant ansah.
Besonders verletzend und schädlich empfinde ich Vorwürfe, die von sogenannten „Antisemitismusforschern“ oder vermeintlichen „Antisemitismusbeauftragten“ gemacht werden. Somit wird einer der schwersten Vorwürfe, den man machen kann, auch bei sachfremden Themen, durch die Hintertür eingeführt.
Natürlich habe ich nicht den leisesten Hauch antisemitischer Neigungen, bin ein Unterstützer Israels und erschrocken, dass jüdisches Leben in Deutschland wieder bedroht ist – vor allem durch den radikalen Islam.
Verfolgt man Ihren ereignisreichen Werdegang, die unterschiedlichen beruflichen und sozialen Engagements und nicht zuletzt auch die unzähligen Bücher und Fachartikel – wieviel Zeit bleibt Ihnen für Privates? Und, wie gut können Sie sich selbst im Ruhestand vorstellen?
Prof. Max Otte: Langweilig wird mir bestimmt nicht. Zunächst einmal sind viele Value Investoren sehr alt geworden und betreiben ihr Handwerk auch noch im hohen Alter. Das liegt eben daran, dass Value Investing nichts Hektisches ist, sondern viel Nachdenken über fundamentale Zusammenhänge und wenige Entscheidungen erfordert. Die Erfahrung und Abgeklärtheit des Alters kann hier durchaus hilfreich sein. Ich will mein Investmenthandwerk also durchaus noch 20 Jahre ausüben, das sonstige Tagesgeschäft der Unternehmen aber immer mehr in die Hände von vertrauensvollen Mitarbeitern legen.
Schon jetzt kann ich viel Privates machen, weil ich versuche, mich eben auf wenige und dafür wichtige Entscheidungen zu konzentrieren. Meine Kinder sind mir wichtig, ich mache gelegentlich Musik oder arbeite in meinem Garten.
Ich halte das Konzept eines „Ruhestandes“ sowieso für unnatürlich. Ich arbeite gerne; das ist Kreativität und Leben. Ich werde mich sicher schrittweise aus meinen Managementaufgaben zurückziehen, aber es gibt einige ungeschriebene Bücher, die mir noch im Kopf herumgehen. Und vielleicht fragt mich ja nochmal jemand, ob ich noch einmal für das Amt des Bundespräsidenten kandidiere [lacht].
Herr Prof. Dr. Otte, vielen Dank für das Gespräch.
Jahrgang 1981 aus Straßbourg, ist als freier Journalist für verschiedene Online-Medien in ganz Europa unterwegs – Schwerpunkte sind die Bereiche Finanzen, Immobilien und Politik. Seine fachliche Expertise sammelte er als Berater für Global Player sowie Mittelständler. Fournier studierte Wirtschaft und Deutsch in Paris und Dresden. Zur Zeit lebt er im Saarland und verstärkt seit Anfang 2019 das Euro Leaders-Team.