Gerade in Deutschland scheint das Leben trotz Ladenschließungen und Ausgangsbeschränkungen relativ ungestört weiterzugehen, doch der Eindruck täuscht. Gerade in den Unternehmen des Einzelhandels und des Dienstleistungssektors, die als systemrelevant erachtet werden und deshalb geöffnet bleiben, kann die Situation von einer Sekunde auf die andere umkippen. Hier ist ausreichende Security nicht nur eine vernünftige Vorsorgemaßnahme, sondern kann sich unversehens als existentiell entscheidend erweisen.
Öffentliche Ordnung auf dem Prüfstand
Gerade in Einrichtungen wie Supermärkten, Drogerien, Baumärkten oder Krankenhäusern zeigt sich in gesellschaftlichen Ausnahmesituationen, wie fragil das Gebäude gesitteten Verhaltens in Wirklichkeit ist. Der Übergang von Zivilisation zu Chaos und Anarchie ist überraschend schnell überschritten.
“Man muss sich Menschen in einer ungewohnten Situation wie einen Dampfdrucktopf kurz vor dem Überdruck vorstellen”, sagt dazu der Essener Sicherheitsexperte Uwe Gerstenberg. “Jeder bemüht sich um zivilisiertes Verhalten, aber unter der Oberfläche brodelt es. Da genügt eine winzige Kleinigkeit, um die Lage eskalieren zu lassen.”
Selbst in Drive-ins für Coronatests kann die Lage in Sekundenschnelle explodieren, weiß der Sicherheitsexperte. “Da muss nur einer denken, dass er nicht mehr drankommt, oder dass andere bevorzugt werden, und schon gibt es Probleme.”
Security für einen geordneten Geschäftsbetrieb
Besonders Supermärkte und Drogeriemärkte bieten in diesen Tagen eine Vielzahl von Anlässen, um den ruhigen Verkaufsalltag übergangslos in Tumult, Sachbeschädigung und Tätlichkeiten versinken zu lassen.
“Es ist eine Sache, vor der Ladentür ein schönes Schild mit einer Einlassbeschränkung aufzustellen”, erläutert Uwe Gerstenberg. “Das Problem beginnt, wenn es darum geht, die Beschränkungen zu überwachen und gegebenenfalls auch durchzusetzen. Ohne kompetente Security ist da besonders in Läden mit größerer Verkaufsfläche wenig auszurichten.”
Besonders problematisch kann es bei geringer Verfügbarkeit wichtiger Verbrauchsgüter werden. Ein typischer Fall ist für Sicherheitsfachleute das letzte Stück eines Artikels im Regal, um das sich mehrere Kunden streiten. Wie dünn die zivilisatorische Decke in unserer Gesellschaft ist, zeigt sich gerade in solchen Situationen.
Krankenhäuser – gefährlich auch hier der Mitnahmeffekt
Kliniken verkaufen das wichtigste Gut des Menschen: Gesundheit. Entsprechend angespannt ist die Lage, wenn Menschen das Gefühl haben, darauf keinen oder nur ungenügenden Zugriff zu haben, so, wie das durch die aktuellen Zutrittsbeschränkungen in Krankenhäuser der Fall ist.
Das macht die Eingangsbereiche von Notfallambulanzen zu besonders kritischen Zonen, wenn es um die Sicherheit und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung geht. Das Gefühl, für sein Gesundheitsproblem keine Hilfe zu bekommen, macht Menschen schnell zu unkontrollierbaren Risikofaktoren.
“Das Problem ist, dass die Krankenhäuser in der Regel nur einen einzigen Zugang offenhalten dürfen”, sagt Uwe Gerstenberg. “Da sammelt sich Angst, Unsicherheit und Wut auf engstem Raum. Das kann schnell zu unübersichtlichen Situationen und chaotischen Abläufen führen.”
Gerade die sicherheitstechnische Überwachung von Krankenhäusern wird in der nahen Zukunft an Bedeutung gewinnen. “Die Belastungsspitze der Kliniken ist noch nicht erreicht”, erklärt der Sicherheitsexperte. “Dass dem Krankenhauspersonal in dieser Situation nicht auch noch zugemutet werden kann, für die Sicherheit zu sorgen, ist klar. Dafür sollten erfahrene Fachleute zum Einsatz kommen, die mit Krisen umgehen können.”
Nicht nur in den Notfallambulanzen, auch im Empfangsbereich der Krankenhäuser lauert Potential für Sicherheitsprobleme, vor allem aufgrund des Besucherstopps. “Menschen, die sich um ihre Angehörigen sorgen und nicht zu ihnen gelassen werden, können ein überraschendes Maß an Aggression und Aktivität entwickeln”, weiß Uwe Gerstenberg.
Der Grund, warum derartige Situationen schnell eskalieren, ist im Mitnahmeeffekt zu finden. “Viele Menschen trauen sich nicht, ihr Anliegen durchzusetzen”, erklärt der Sicherheitsexperte. “Wenn sie aber beobachten, wie andere es tun, fassen sie Mut und schließen sich an. Und schon sind massive Konflikte auf dem Weg.”
Jahrgang 1991 aus Münster, ist Redakteurin bei Euro Leaders. Als Volontärin bei einer Mediengruppe sammelte sie erste journalistische Erfahrungen und baute diese im Laufe ihrer Karriere als freie Mitarbeiterin für diverse Online-Medien und der Tagespresse weiter aus. Jacobs studierte Kulturwissenschaften mit dem Schwerpunkt European Cultures and Society in Norddeutschland. Sie lebt mit ihrem Partner und den Hunden Chester und Baki im östlichen Ruhrgebiet.