Herr Reich, Sie haben Kartina.TV bereits 2007 gegründet – zu einem Zeitpunkt, als Streaming in Europa noch kaum eine Rolle spielte. Was war Ihre Vision damals?

Andreas Reich: Ich habe früh gesehen, dass Menschen, die aus ihrer Heimat weggehen – sei es durch Migration, Flucht oder Neuanfang, eines mitnehmen: das Bedürfnis nach Verbindung. Kartina.TV sollte genau das bieten – ein digitales Fenster in die kulturelle Herkunft. Damals war IPTV ein Nischenmarkt, aber ich war überzeugt, dass Technologie und Zugehörigkeit sich nicht ausschließen, sondern ergänzen.

Heute ist Kartina.TV international aktiv. Wie hat sich das Unternehmen seither entwickelt?

Andreas Reich: Aus der Idee wurde ein internationales Netzwerk. Wir haben heute Showrooms in London, New York, Tel Aviv, Dubai und Kunden in über 20 Ländern. Technologisch sind wir breit aufgestellt: Cloud-DVR, Timeshift-TV, Multi-Device-Nutzung – wir verbinden Komfort mit kultureller Relevanz. Gleichzeitig sind wir strategisch gewachsen: Unsere Zielgruppe umfasst heute nicht mehr nur Spätaussiedler, sondern auch die nächste Generation – Kinder aus bilingualen Familien, die Inhalte in zwei Sprachen konsumieren und sich in beiden Kulturen zuhause fühlen wollen.

Das klingt nach einer unternehmerischen, aber auch gesellschaftlichen Mission.

Andreas Reich: Das ist sie. Ich sehe Unternehmertum nicht nur als wirtschaftliche, sondern auch als gesellschaftliche Aufgabe. Wir erreichen Menschen dort, wo sie leben – emotional, sprachlich, kulturell. Gerade in Zeiten, in denen Zugehörigkeit politisch diskutiert wird, glaube ich an die Kraft leiser Verbindungen. Ein Fernsehabend in der Muttersprache mag banal wirken, aber er schafft Nähe. Und Nähe schafft Vertrauen.

Wie begegnen Sie der Herausforderung, mit einem ursprünglich nischigen Angebot auf breiter Bühne sichtbar zu bleiben?

Andreas Reich: Indem wir uns stetig anpassen – ohne die Wurzeln zu verlieren. Wir entwickeln unser On-Demand-Angebot kontinuierlich weiter und bleiben dabei fokussiert: Es geht nicht darum, „alle“ zu erreichen, sondern die Richtigen – Menschen, die sich in unseren Inhalten wiederfinden. Und dabei investieren wir viel in Technologie, Nutzerfreundlichkeit und Service.

Sie engagieren sich auch gesellschaftlich – etwa im Ehrenamt und Sport. Warum ist Ihnen das wichtig?

Andreas Reich: Weil es nicht reicht, über Werte zu sprechen. Man muss sie leben. Ich habe selbst erlebt, wie wichtig Ehrenamt für Integration, Zusammenhalt und Chancen ist. Deshalb unterstützen wir auch Projekte, die in Vereinen, Schulen oder Nachbarschaften wirken. Seit der Gründung hat die Kartina Digital GmbH über 100 verschiedene Vereine und Initiativen unterstützt – unter anderem mit langfristigen Spenden an „Ein Herz für Kinder“ und einer Soforthilfe von 30.000 € an das Ukrainische Rote Kreuz. Kartina.TV wird in Kürze eine Kampagne starten, die genau diese Menschen und ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten sichtbar macht.

Was möchten Sie mit Kartina.TV in den nächsten Jahren erreichen?

Andreas Reich: Wir wollen wachsen – nicht nur technisch, sondern in unserer Relevanz. Wenn Menschen sagen: „Dank Kartina.TV fühlen wir uns nicht vergessen“ – dann war es das wert. Digitalisierung kann kalt sein. Oder sie kann verbinden. Ich entscheide mich jeden Tag für Letzteres.

Herr Reich, vielen Dank für das Gespräch.